24. April 2024

Harald Kimpel stellt UTOPIEdocumenta – unverwirklichte Projekte aus der Geschichte der documenta vor

Im Oktober 2015 stellt uns Harald Kimpel  – mit viel Bildmatereial und HIntergrundinformationen – sein Projekt UTOPIEdocumenta / unverwirklichte Projekte aus der Geschichte der documenta vor, welches zum 60. Geburtstag der documenta im Stadtmuseum gezeigt wird.

In der folgenden Pressemitteilung von Donnerstag, 29. Oktober 2015 documenta-Stadt Kassel wird die Idee vorgestellt. Die Abbildung links zeigt eine Zeichnung Arnold Bodes zum Oktogon-Projekt (Quelle PM der Stadt Kassel).

Erste Wechselausstellung im neuen Geschichtsturm des Stadtmuseums: „UTOPIEdocumenta – unverwirklichte Projekte aus der Geschichte der documenta“

Die 60-jährige Erfolgsgeschichte der documenta ist auch eine Geschichte von Projektideen, die exklusiv für die jeweilige Weltkunstausstellung entwickelt wurden. Manche konnten jedoch nie verwirklicht werden – sei es, dass sie letztlich nicht finanzierbar waren, sich konstruktiv nicht umsetzen ließen oder ihre Umsetzung aus rechtlichen oder anderen Gründen scheiterte.

Die Ausstellung zum Abschluss des Jubiläums 60 Jahre documenta erinnert beispielhaft an 18 faszinierende Projekte international bekannter Künstler und Künstlergruppen zwischen documenta 5 und documenta 13. Sie blieben Utopien, die dennoch die Idee der Vollendung in sich tragen und die ästhetischen Strategien ihrer Zeit spiegeln. Der Kurator Dr. Harald Kimpel hat für die erste Ausstellung im neu gebauten Geschichtsturm des Stadtmuseums wertvolle Exponate aus aller Welt zusammengetragen.

Das Stadtmuseum ist der ideale Ort für UTOPIEdocumenta, da sich alle präsentierten Vorhaben auf signifikante Situationen der documenta-Stadt Kassel beziehen. Festgemacht an Architekturen, Straßen, Plätzen oder Parkanlagen wollten sie punktuell akzentuieren, großräumig eingreifen oder kritisch intervenieren. UTOPIEdocumenta macht diese ausgefallenen Kunstwerke noch einmal öffentlich zugänglich.

„Ich bin dankbar für die Idee zu dieser außergewöhnlichen Ausstellung, weil sie uns mit faszinierenden Kunstprojekten konfrontiert, die leider nicht umgesetzt werden konnten“, so Oberbürgermeister Bertram Hilgen. Die 18 nie verwirklichten Kunstwerke seien dennoch ein wichtiger Teil der Geschichte der documenta, der weltweit bedeutendsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Manche dieser Vorhaben, wie das ungebrochene Interesse etwa am Oktogon-Projekt von Arnold Bode zeigt, beflügeln die Phantasie und den Wunsch zur Umsetzung bis heute.

„UTOPIEdocumenta ist ein würdiger Abschluss des documenta-Jubiläumsjahres und der Startschuss der Wechselausstellungen, die künftig im Geschichtsturm des umfassend sanierten Stadtmuseums zu sehen sein werden“, so Kulturamtsleiterin Dorothée Rhiemeier. Die Ausstellung weckt Vorfreude auf das neue Haus der Kasseler Stadtgeschichte, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, 1955 – im Jahr der ersten documenta – wiederaufgebaut wurde und im Frühjahr 2016 wiedereröffnet wird.

Zur Ausstellung:

In 60 Jahren ist die Kasseler Weltkunstausstellungsreihe documenta international berühmt geworden – nicht nur durch ihre aus aller Welt zusammengeführten Leihgaben, sondern besonders auch durch die Kunstprojekte, die exklusiv für die jeweiligen documenta-Versionen entwickelt wurden. Manche von diesen konnten jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht oder nur ansatz- weise verwirklicht werden: Projekte, die sich unter anderem als letztlich nicht finanzierbar, konstruktiv nicht umsetzbar oder rechtlich nicht durchsetzbar erwiesen. Künstlerisches Denken kollidierte mit kuratorischer Wirklichkeit, kreatives Planen mit administrativen Sachzwängen.

Jede documenta hinterlässt ein Erbe aus Unerledigtem: Planungen, die durch vielfältige Verhinderungen über die Konzeptphase nicht hinausgelangten, Ideen für bereits als documenta-Exponate akzeptierte Installationen, die in unterschiedlichen Stadien der Ausarbeitung steckengeblieben sind – uneingelöste Versprechen aus mehreren Jahrzehnten Institutionsentwicklung. Im Schatten der realisierten Ereignisse wartet eine bis heute unsichtbare Fast-documenta.

Dieses unausgeschöpfte Kreativitätsreservoir in Ansätzen sichtbar zu machen, ist das Ziel der Dokumentation UTOPIEdocumenta. Gezeigt wird also, was die documenta nicht gezeigt hat.

Anlässlich des Jubiläums 60 Jahre documenta widmet sich die Ausstellung dieser bisher unbekannten Dimension der Institutionsgeschichte. Indem sie solchen Projekt- schicksalen nachspürt, arbeitet sie ein ungeschriebenes Kapitel der documenta-Geschichte auf. Sie nimmt das Unvollendete als eigenständige Kunstgattung ernst: als eine Noch-Nicht-Kunst oder eine Kunst des Noch-Nicht. An diesem kreativen Überschuss soll das Unverwirklichte im Verwirklichten sichtbar werden.

UTOPIEdocumenta zeigt die mediale Vielfalt, in der sich die Planungen materialisiert haben. Entwürfe, Skizzen, Fotografien, Modelle und Pläne zu 18 ausgewählten Projekten international bekannter Künstler und Künstlergruppen zwischen documenta 5 und documenta 13 dokumentieren das utopische Potential der Kasseler Weltkunstausstellungen. Wo sich das Material nicht mehr im Besitz der Produzenten befindet, ist es in Privatsammlungen, Museen, Galerien und Künstlernachlässe eingegangen. Hinzu kommen die reichhaltigen Bestände des documenta Archivs, in denen sich zahlreiche Ansätze für ungekannte Kunstwerke versteckt halten.

Eingebunden in die Vermittlungsabsichten der jeweiligen documenta, für die sie entwickelt wurden, spiegeln die Projekte die ästhetischen Strategien ihrer Zeit. Ihre Aktualität ist aber ungebrochen. An der Schwelle zur Realität haben sie nichts an Faszination verloren. Und darüber hinaus werden mit diesen Einblicken in das künstlerische wie auch das kuratorische Handwerk die Entstehungsprozesse der Werke und mit ihnen die individuellen Arbeitsweisen der Künstler sichtbar.

Bei den thematisierten Projekten handelt es sich um Utopien im Wortsinn – um U-topoi: um Projekte also, die bei der documenta keinen Ort gefunden haben. Doch die unvollendete Idee trägt die Idee der Vollendung in sich; das Jetzt-Nicht verbindet sich mit der Hoffnung auf ein Möglicherweise-Doch. Denn dass sie zu ihrer Zeit nicht Wirklichkeit werden konnten, beweist nicht ihre grundsätzliche Unmöglichkeit.

Mit der Entdeckung solch ausgefallener Kunstwerke bietet UTOPIEdocumenta die Gelegenheit, das Verborgene, aber noch immer Virulente wenn schon nicht zu realisieren, so doch in dokumentarischer Form noch einmal öffentlich zugänglich zu machen. Künstler, die jeder, Kunstwerke, die niemand kennt.

Projekte von Archigram, Coop Himmelb(l)au, Guillermo Faivovich & Nicolás Goldberg, Gindullis Air & Space Lines, Helen Mayer Harrison & Newton Harrison, Haus-Rucker- Co, Stephan Huber, Dani Karavan, Martin Kippenberger, Renata Lucas, Gordon Matta-Clark, Barry Le Va, George Trakas, Wolf Vostell, Hannsjörg Voth und Arnold Bode

Quelle: Pressemitteilung von Donnerstag, 29. Oktober 2015 documenta-Stadt Kassel