21. November 2024

Pressemitteilung: Das documenta forum nimmt Stellung zu Gutachten, Abschlussbericht und Hamburger Symposium zur documenta fifteen

„Widersprüchlichkeit ertragen, Strukturen der Verantwortlichkeit schaffen, Kunstfreiheit schützen“

Das documenta forum nimmt Stellung zu Gutachten, Abschlussbericht und Hamburger Symposium zur documenta fifteen

Das documenta forum Kassel e.V. begrüßt, dass derzeit in verschiedenen Formaten und mit rückblickender Distanz Positionen zur documenta fifteen in einen Austausch kommen. Die Kunstausstellung in Kassel im Jahr 2022 hat Fragestellungen zu Inhalt, Form und Organisation hinterlassen, die es aufzuarbeiten gilt.

Mit der Veröffentlichung des von der Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, in Auftrag gegebenen Gutachtens Grundrechtliche Grenzen und grundrechtliche Schutzgebote staatlicher Kulturförderung von Prof. Dr. Christoph Möllers, dem Abschlussbericht zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen sowie dem Symposium zur Kontroverse documenta fifteen an der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HbfK) seien entscheidende Schritte erfolgt. Das documenta forum stehe nach den Ereignissen des vergangenen documenta-Sommers nun für eine Besonnenheit, die auch Ambiguitätstoleranz ­— die Fähigkeit, mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungsweisen zu ertragen ­— zulassen kann. Diese Haltung hatte der Soziologe Prof. Natan Sznaider (Tel Aviv) in seinem Impulsreferat eingefordert: Sowohl die Beteiligten der documenta als auch die Kritiker der Ausstellung müssten in einem Raum sprechen können, ohne ihre Identitäten aufzugeben. Die Auflösung der Kontroverse benötige den Dialog.

Abschlussbericht des von Prof. Dr. Nicole Deitelhoff geleiteten Gremiums zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen – in Auftrag gegeben vom Aufsichtsrat und den Gesellschaftern der documenta gGmbH

Das unabhängige Expertengremium hatte vier Arbeiten explizit in den Blick genommen, die im Verdacht stehen, antisemitisch zu sein beziehungsweise eine entsprechende Bildsprache zu nutzen. Für das documenta forum ist dies bei aller Wertschätzung für die documenta fifteen erneut Anlass zu bekräftigen, dass Antisemitismus und Rassismus auch unter den Voraussetzungen der vom Grundgesetz garantierten künstlerischen Freiheit nicht zu dulden sind. Das documenta forum schließt sich auch der im Bericht geforderten Notwendigkeit an, den Herausforderungen des zeitgenössischen Kunstbetriebs mit der verbindlichen Verteilung der Verantwortlichkeiten zu begegnen, sie klarer zu definieren und entsprechende Strukturen zu schaffen.

Dabei weist das documenta forum mit Nachdruck darauf hin, dass sich dies nicht in einer Kontrolle der künstlerischen Leitung der documenta-Ausstellung oder der Einflussnahme auf kuratorische Entscheidungen durch Politik, Institutionen oder gesellschaftliche Gruppen auswirken darf. Dies hätte nicht nur für die documenta, deren Alleinstellungsmerkmal die Freiheit der künstlerischen Leitungen ist, sondern für die Kunstfreiheit insgesamt erhebliche Auswirkungen.

Das Rechtsgutachten liefert Perspektiven

Das documenta forum sieht die Rechtsexpertise von Prof. Dr. Möllers als geeigneten Ansatz, die Grenzfläche von künstlerischer Freiheit einerseits und kuratorischen Findungsprozessen andererseits differenziert in den Blick zu nehmen. „Sie zeigt Perspektiven auf, die die Gegensätze nicht überbrücken oder auflösen, aber dennoch Handlungsweisen für die Zukunft aufzeigen. Prof. Möllers definiert grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen zur künstlerischen Freiheit und ihrer möglichen Grenzen, die sich zur documenta fifteen und der ihr zugeordneten Antisemitismusdebatte aufgetan haben.“

In einen Dialog kommen

Für den weiteren Dialog hofft das documenta forum auch, dass die jetzigen Träger der documenta – Stadt Kassel, Land Hessen und der Bund – eher miteinander als übereinander ins Gespräch kommen werden.