23. November 2024
Instituto de Artivismo Hannah Arendt (INSTAR), Art to the limit, Workshop mit dem Theoretiker Brian Holmes und der Künstlerin Claire Pentecost, Havanna, 2017

Dritte Ausgabe der Gesprächsreihe Lumbung Calling am 5. Juni 2021 widmet sich dem Lumbung-Wert Unabhängigkeit

Pressemitteilung documenta: Die siebenteilige Gesprächsreihe lumbung calling bildet den Auftakt zum Begleitprogramm der documenta fifteen, genannt Meydan. Jede Ausgabe der Reihe widmet sich einem der lumbung-WerteLokale Verankerung, Humor, Unabhängigkeit, Großzügigkeit, Transparenz, Genügsamkeit und Regeneration. Das Format blickt auf den Hintergrund des künstlerischen Ansatzes der documenta fifteen und beleuchtet das Thema lumbung aus verschiedenen Perspektiven. In Gesprächen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Gäste geht lumbung calling den zahlreichen Bedeutungen von lumbung über verschiedenartige Disziplinen, Standpunkte und Kontexte hinweg in einem künstlerischen Rahmen nach. Eingeladen werden Akademiker*innen, Aktivist*innen, unabhängige Forscher*innen, Biobäuer*innen sowie Organisator*innen von Festivals – allesamt Akteur*innen, die sich großen Herausforderungen stellten und durch ihr Handeln bedeutsame Veränderungen anstießen.

DRITTE AUSGABE VON LUMBUNG CALLING: UNABHÄNGIGKEIT

Die dritte Ausgabe von lumbung calling am 5. Juni 2021 thematisiert den lumbung-Wert Unabhängigkeit. In der lumbung-Praxis steht Unabhängigkeit in einem ständigen Dialog mit Wechselseitigkeit, um den binären Ansatz zu überwinden, der diese Beziehung zu einer hierarchischen Definition zwingt – eine Definition, die immer einen Teil gegenüber dem anderen bevorzugt, in einem stets unvollständigen Lehrsatz.

Ausgehend von ökologischen Denkweisen verweben in der lmbung-Praxis vielfältige Beziehungen zwischen Menschen und nichtmenschlichen Wesen Unabhängigkeit und Wechselseitigkeit miteinander. Unabhängigkeit wird zu reziproker Abhängigkeit und verdeutlicht die Komplexität von Beziehungsgeflechten, in denen nichts für sich allein besteht und sich alles bedingt.

In dieser Ausgabe von lumbung calling widmen sich Tania Bruguera, Gründerin des kubanischen Kollektivs Instituto de Artivismo Hannah Arendt (INSTAR), und der palästinensische Agrarökologe Omar Tesdell dem Thema Unabhängigkeit.

Mit künstlerischen Mitteln setzen sich die Künstlerin Tania Bruguera und INSTAR in ihrer Praxis für die Unabhängigkeit, Demokratie, grundlegende Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit in Kuba ein, indem sie u. a. Workshops zur Stärkung der Fähigkeiten von Künstler*innen, Intellektuellen, Aktivist*innen und deren unabhängigen Projekten finanzielle Unterstützung anbieten.

Omar Tesdell ist ebenfalls einem kollektiven Streben nach Freiheit und Grundrechten verbunden. Seine Praxis zeigt auf, wie sich die Agrarforschung nicht nur auf eine biophysikalische Dimension beschränkt, sondern ferner im Stande ist, verschiedene Disziplinen zu vereinen und einen Bezug zu einer artübergreifenden sozioökonomischen Ebene herzustellen.

lumbung calling findet jeden ersten Samstag im Monat statt. Von April bis Oktober führen die Künstlerin Jumana Emil Abboud und Mirwan Andan, Mitglied von ruangrupa, durch die siebenteilige Gesprächsreihe und begrüßen unterschiedliche Gäste. Die ersten beiden Ausgaben widmeten sich den lumbung-Werten Lokale Verankerung und Humor.

lumbung calling wird digital über die sozialen Kanäle YouTube und Facebook der documenta fifteen präsentiert. Die Veranstaltungen finden in englischer Sprache statt und werden in Gebärdensprache (International Sign) übersetzt. Aufzeichnungen einzelner Veranstaltungen werden anschließend auf der Website der documenta fifteen und YouTube verfügbar sein sowie um deutsche und englische Untertitel ergänzt.

GÄSTE UND HOSTS

Das Instituto de Artivismo Hannah Arendt (INSTAR) wurde 2015 als Institution für gesellschaftspolitische Alphabetisierung aus einer Intervention der kubanischen Artivistin Tania Bruguera heraus gegründet, bei der Teilnehmer*innen 100 Stunden lang Hannah Arendts Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft lasen und diskutierten. Bruguera ist eine politisch engagierte Performance-Künstlerin, die die Beziehung zwischen Kunst, Aktivismus und sozialem Wandel erforscht. Ihre Arbeit befasst sich mit den sozialen Auswirkungen von politischer und wirtschaftlicher Macht. INSTAR fungiert als demokratischer, horizontaler, konsensorientierter Raum, dessen Initiator*innen in Kuba soziale Gerechtigkeit und Rechte wie faire Löhne, Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf, Unterstützung von unabhängigen Projekten und Künstler*innen sowie Achtung der Meinungsfreiheit fordern. Als Safe Space schützt und verbindet INSTAR Organisationen, Aktivist*innen und Künstler*innen, indem es Workshops, finanzielle Unterstützung durch Preise und Stipendien und Sichtbarkeit bietet. INSTAR ist ein lumbung member der documenta fifteen.

Omar Imseeh Tesdell ist Assistenzprofessor an der Geografischen Fakultät der Universität Bir Zait, Palästina. Tesdell forscht zu landschaftlichen und agrarökologischen Transformationsprozessen im Nahen Osten und Amerika. Sein Interesse gilt dem Verhältnis von ökologischem Wandel und baulicher Umwelt. Zu seinen Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften zählen Plants, People, Planet (2020), Frontiers in Plant Science (2020), Journal of Arid Environments (2020), Agroecology and Sustainable Food Systems (2019), Geoforum (2017) und dem International Journal of Middle East Studies (2015). Kürzlich erschien Garden Gathering in A Garden Among the Hills: The Floral Heritage of Palestine, The Palestinian Museum (2019).  Als Teil eines kommunalen Forschungskollektivs gab Tesdell den arabisch-englischen Führer Palestinian Wild Food Plants (2018) heraus. 2015 war er Fellow an der Columbia University in New York.

Jumana Emil Abboud ist Künstlerin, deren kreatives Interesse der Oral History sowie persönlichen und kollektiven Geschichten und Mythologien gilt, insbesondere Volkserzählungen und Orte ihrer An- und Abwesenheit. In ihrer künstlerischen Praxis nutzt sie Storytelling, performative Elemente und Workshop-Methodologien, um das Verhältnis von Zeit und Ort, dem Menschlichen und Nichtmenschlichen zu untersuchen. Durch ihre Beschäftigung mit Erinnerung, Bindung und Enteignung begegnet Abboud dem Ringen um Kontinuität in politischen, ökologischen und kulturellen Kämpfen. Abbouds Arbeiten waren unter anderem bei The Jerusalem Show (2018), auf der Sharjah Biennale (2017), im BALTIC Centre for Contemporary Art, Gateshead (2016) sowie der Venedig Biennale (2015) und der Istanbul Biennale (2009) zu sehen. Sie war Resident bei Sakiya – Art/Science/Agriculture, Ramallah, der Delfina Foundation, London, der Arts Initiative Tokyo und im Gästeatelier Krone, Aarau. Derzeit promoviert Jumana Emil Abboud an der Slade School of Fine Art des University College London.

Mirwan Andan ist Mitglied von ruangrupa, der Künstlerischen Leitung der documenta fifteen.

Undine Schäfer ist Gebärdensprachdolmetscherin in Göttingen.


Instituto de Artivismo Hannah Arendt (INSTAR), Art to the limit, Workshop mit dem Theoretiker Brian Holmes und der Künstlerin Claire Pentecost, Havanna, 2017, Foto: INSTAR