19. April 2024

Erschließungsoffensive beginnt – Aufbereitung des documenta archiv Bestands für internationale und interdisziplinäre Forschung

Pressemitteilung documenta: Am 1. Oktober 2020 startet das documenta archiv die umfassende Erschließung und Aufbereitung seiner Bestände. Diese „Erschließungsoffensive“ ist auf zehn Jahre angelegt. Dafür wollen das Land Hessen und die Stadt Kassel bis 2030 Fördersummen von insgesamt 5,4 Mio. Euro zur Verfügung stellen. Zeugnisse des künstlerischen und kuratorischen Schaffens rund um die documenta Ausstellungen der Jahre 1955 bis heute sollen vertieft, fachgerecht und nach archivischen und wissenschaftlichen Standards aufbereitet und systematisiert werden.

Angela Dorn, Ministerin für Wissenschaft und Kunst des Landes Hessen:
„Das Land Hessen sieht die weltweit einzigartige Bedeutung der Kasseler documenta. Deshalb haben wir große Anstrengungen unternommen, um das documenta Institut möglich zu machen. Damit soll einer systematischen Auseinandersetzung mit dieser so wichtigen Ausstellung ein angemessener Ort gegeben werden. Das documenta archiv ist für diesen Aufbau essentiell: Es ist ein Schatz, der – gehoben und wissenschaftlich aufgearbeitet – die documenta auch institutionell zu einem Stück Kunstgeschichte macht. Wir unterstützen den wichtigen Schritt der Aufbereitung gern, um das documenta archiv der nationalen und internationalen Forschung zugänglich zu machen.“

Der Fundus des Archivs wird den Kern des entstehenden documenta Instituts bilden und die dort angestrebte exzellente Forschung ermöglichen. „Die Stadt Kassel ist stolz darauf, dass das documenta archiv neben dem Bauhaus-Archiv zu den ältesten und wichtigsten Kunstarchiven Deutschlands gehört“, so Oberbürger-meister Christian Geselle. „Es zukunftsfähig aufzustellen, ist uns ein wichtiges Anliegen“.

Die Bestände des Archivs bilden vor allem die Geschichte der documenta Ausstellungen ab. Gleichzeitig ist das documenta archiv aber auch ein Dokumentationszentrum für zeitgenössische Kunst und kuratorisches Wirken im Allgemeinen und damit eine unschätzbar wichtige Quelle für kunst- und kulturwissenschaftliche Fragestellungen und die Rezeptionsforschung.

Die Erschließung ist von maßgeblicher Bedeutung für das documenta Institut

Dr. Sabine Schormann, Generaldirektorin der documenta und Museum Fridericianum gGmbH zur Erschließungsoffensive: „Die einzigartigen Bestände des documenta archivs durch die Tiefen-Erschließung wissenschaftlich zugänglich und zugleich für die breite Öffentlichkeit und die Stadtgesellschaft greifbar zu machen, ist Voraussetzung für einen lebendigen Austausch zwischen Wissenschaft und Kunst, wie er auch zunehmend in den documenta Ausstellungen als Wiederannäherung zweier Disziplinen stattfindet.“ Bereits nach der Angliederung des zuvor städtischen documenta archivs an die documenta gGmbH im Jahr 2016 wurden erste Weichen für die Öffnung des Archivs gestellt: Es wurden Ausstellungskooperationen initiiert, Veranstaltungsreihen etabliert, ein Lesesaal eingerichtet und eine umfassende Website entwickelt. Nun wird mit der Erschließungsoffensive der nächste entscheidende Schritt zur Öffnung der Bestände für einen breiten Nutzerkreis getan.

Erschließungsoffensive schafft internationale Standards

Mit der Tiefenerschließung geht die Einführung einer bislang fehlenden digitalen Infrastruktur und eines professionellen Erfassungssystems einher. Dazu gehören die Aufnahme der Bestände in Archivdatenbanken, Rechteanalyse und -management sowie Maßnahmen zur Erschließung und Archivierung digitaler Unterlagen. Der Gründungsdirektor des documenta Instituts, Prof. Dr. Heinz Bude, konstatiert: „Als interdisziplinäres Forschungsinstitut ist das documenta Institut in besonderer Weise auf eine den internationalen Standards entsprechende Erschließung der Archivbestände angewiesen. Dass diese Grundlagen nun so entschieden angegangen werden, ist grandios.“

„Ich freue mich darauf, gemeinsam mit dem Team die Erschließung der wertvollen Bestände anzugehen. Zukunftsgerichtet aufgestellt wird das documenta archiv an Strahlkraft gewinnen und im besten Sinne Künstler/innen, Kurator/innen, und Sammler/innen zu weiteren Vor- und Nachlässen inspirieren“, so Dr. Birgitta Coers, die am 1. Oktober 2020 den Posten als Direktorin des documenta archivs antritt.

Insgesamt werden 560 laufende Regalmeter, 50 Terabyte digitale Medien und 42.000 Medieneinheiten erschlossen

Die Erschließungsoffensive umfasst alle Abteilungen des documenta archivs: Im Aktenarchiv werden die Unterlagen der ersten documenta Ausstellung bis zur documenta 14 sowie umfangreiche Nach- und Vorlässe, wie der des documenta Gründers Arnold Bode, sowie die Sammlung von Presseausschnitten gesichtet, erfasst und tiefenerschlossen. Insgesamt werden zu 560 lfm Archivalien rund 45.000 Verzeichnungseinheiten erstellt.

In der Mediensammlung warten mehr als 50 Terabyte an digitalen Bild- und audiovisuellen Medien auf eine systematische Strukturierung und die Überführung in ein digitales Archiv. Für mehr als 65.000 Papierabzüge von Fotografien, Dias und Negative sowie mehr als 5.000 unterschiedliche Datenträger werden Findmittel erstellt. So können unter anderem die über 3.000 Fotografien der Kasseler Fotografin Monika Nikolic erschlossen werden, die die documenta Ausstellungen 7 bis 14 umfassend dokumentieren.
In der Bibliothek sind noch etwa 40 Prozent des Gesamtbestands (ca. 42.000 Medieneinheiten), hauptsächlich Monografien zu Künstlerinnen und Künstlern, bibliografisch zu erfassen. Begleitet wird dies von konservatorischen Maßnahmen.

Als Konsequenz kann beispielsweise die Beantwortung typischer Fragen an das Archivgut ermöglicht oder beschleunigt werden: Aus welchem Material besteht ein bestimmtes Kunstwerk? Wie wurde es inszeniert? Gibt es eine Ansicht von einem bestimmten Kunstwerk und wie sieht es mit den Nutzungsrechten aus? Schrift-wechsel zwischen Kurator/innen und Künstler/innen, Skizzen und Anleitungen, Videoaufzeichnungen von Veranstaltungen und Dokumentationen von Ausstellungssituationen geben Auskunft über die vergangenen Ausstellungen und die Abläufe „hinter den Kulissen“. Außerdem können laufende künstlerische und gesellschaftliche Diskussionen befördert und auf ihre historische Dimension hin betrachtet werden.

Quelle: documenta.de

Bild: ©documenta archiv / Anita Back 2017, Inv.Nr.: 10001001