Auf dem Friedrichsplatz, einem der Zentren der documenta, war noch bis zum vergangenen Wochenende ein riesiges Banner des indonesischen Kollektivs Taring Padi zu sehen, das massiv antisemitische Motive zeigte. Es folgte – ganz zurecht – eine Welle der Empörung, die letztlich zum Abbau des umstrittenen Kunstwerkes geführt hat. Seither vergeht keine Stunde ohne Kommentare zu den Ereignissen und seinen Folgen für die aktuelle documenta und gar die documenta überhaupt. Am 22.06.2022 hat die Frankfurter Rundschau mit Miki Lazar ein Interview geführt, das wir in kurzen Auszügen bringen. Michael Miki Lazar ist Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Kassel wie auch des documenta-Forums.
Herr Lazar, auf der Documenta schockiert die antisemitische Bildsprache in einem Werk der Gruppe Taring Padi. Sind Sie überrascht oder war das abzusehen?
Wieso passiert das?
Antisemitismus ist ein globales Problem. In Deutschland sind antisemitische Äußerungen verboten, aber nicht überall auf der Welt. Diese Symbole sind weitverbreitet. Das Statement der Documenta, dass sie die Gefühle der Jüdischen Gemeinde in Kassel nicht verletzen will, greift zu kurz und redet das Problem klein. Das eben nicht nur in Kassel existiert. Als ob die Juden und Jüdinnen in Frankreich nicht davon betroffen wären.
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Ist es jetzt vorbei mit der Gesprächsbereitschaft?
Von meiner Seite aus ist das Gespräch noch immer möglich: Wenn es einen symbolischen Akt der Verständigung gibt, auch wenn man nicht einer Meinung ist – wobei Antisemitismus natürlich keine Meinung ist – und die antisemitische Bildsprache eindeutig als solche anerkannt wird. Es ist nötig, dass das Kollektiv Ruangrupa sich als Ganzes eindeutig positioniert. Es gab natürlich auch inoffizielle Gespräche und Annäherungen, sogar eine persönliche Entschuldigung habe ich bekommen. Manche von Ruangrupa sind richtig lieb, verständnisvoll und mitfühlend. Sie möchten nicht beleidigen, aber leider sind sie in Bezug auf das Thema Antisemitismus absolut ignorant.