Bei der documenta fifteen beginnt der Aufbau eines langfristigen lumbung – eines Speichers kollektiver Ressourcen – zur nachhaltigen Stärkung von Künstler*innenkollektiven auf der ganzen Welt. Diese Ressourcen reichen von Kunst, Wissen, Netzwerken und Fürsorge bis hin zu Raum, Equipment und Geld.
Die Erprobung neuer Wirtschaftsmodelle steht im Zentrum des Arbeitsprozesses der documenta fifteen. Basierend auf lumbung-Werten wie Großzügigkeit, Regeneration, lokaler Verankerung und Humor soll eine neue, kollektive Kunstökonomie entstehen. lumbung Kios und lumbung Gallery sind Beispiele der lumbung-Wirtschaft in diesem Sinne.
lumbung Kios
lumbung Kios ist ein dezentrales Netzwerk unabhängig betriebener Kios (indonesisch für Kiosk). Durch den Verkauf von Produkten, die von den lumbung member, lumbung-Künstler*innen und ihren lokalen Ekosistems hergestellt werden, soll ein nachhaltiges Einkommen erzielt werden. lumbung Kios kann als Versuch verstanden werden, Vertriebswege zu dezentralisieren und alternatives, nachhaltiges Wirtschaften zu erproben.
Der ökologische Fußabdruck soll dabei so klein wie möglich gehalten werden. Zu diesem Zweck experimentiert lumbung Kios mit dem Feral-Trade-Modell als Vertriebssystem. Feral Trade ist ein von der Künstlerin Kate Rich entwickelter Slow-Trade-Mechanismus, bei dem Güter von Hand zu Hand weitergegeben werden. So entsteht ein Netzwerk aus Handelswegen, das bestehende Reiserouten nutzt.
Der so entstehende Mehrwert soll in langfristig angelegte Projekte innerhalb des lumbung Ekosistems fließen und dort Kollaborationen, etwa zur weiteren Vertiefung von Wissen über nachhaltige Vertriebsmodelle, unterhalten. Ein Teil des von lumbung Kios erzielten Gewinns fließt in einen gemeinsamen Topf und trägt so dazu bei, Ressourcen zwischen den lumbung-Künstler*innen und lumbung member zu teilen. Über die Verteilung der Gelder wird in majelis, den regelmäßigen Treffen der Mitglieder des lumbung-Netzwerks, gemeinsam entschieden.
Den lumbung member, lumbung-Künstler*innen und ihren lokalen Ekosistems bietet der Verkauf von selbstproduzierten Waren die Möglichkeit, das langfristige Überleben ihrer Initiativen, Ideen und ethischen Grundsätze zu sichern. Auf der documenta fifteen wird es zwei physische lumbung Kios geben: Einen gemeinsam mit der Buchhandlung Walther König betriebenen im ruruHaus sowie lumbung Kios & Friends auf dem Hübner-Areal. Hinzu kommt ein Netzwerk lokaler Einzelhandelspartner in der gesamten Stadt.
Auf lumbung.space wird zudem ein Produktkatalog erhältlich sein. Auf diese Weise wird lumbung Kios über die Ausstellungslaufzeit der documenta fifteen hinaus als Netzwerk kleiner Kios auf der ganzen Welt fortbestehen.
Zu den Partnern von lumbung Kios zählen (die Liste wird laufend erweitert): Colorlabor, Film Shop, Galerie auf Zeit (GaZ), KMMN, Lost and Found, Rotopol, Stadtliebe, Wildwood, WIKULLiL im Lemon House und ZweiPunktNull.
lumbung Gallery
Ausgehend von der Praxis von lumbung als Netzwerk und wirtschaftliches Modell der documenta fifteen erprobt lumbung Gallery das Modell einer gemeinsam verwalteten, nicht-spekulativen und regenerativen Galerie. Innerhalb der Parameter bestehender Kunstökonomien versucht lumbung Gallery, Ressourcen hin zu einer stärker gemeinwohlorientierten Wirtschaftsweise, basierend auf den lumbung-Werten, zu verschieben. Langfristig sollen dadurch Vorstellungen von Eigentum, Sammeln, Ausstellen und Autor*innenschaft neu gedacht werden. lumbung Gallery möchte damit ähnlichen Initiativen auf der ganzen Welt als Vorbild dienen.
Während der 100 Tage der Ausstellungslaufzeit der documenta fifteen und darüber hinaus kann die künstlerische Produktion der lumbung member und lumbung-Künstler*innen unmittelbar vor Ort im ruruHaus sowie online unterstützt werden. Während der documenta dient also die documenta selbst als Galerie – angeleitet von der lumbung-Praxis und ihren Werten.
Statt an spekulativen Marktpreisen orientiert sich die Preisgestaltung der Arbeiten an den finanziellen Grundbedürfnissen der Kollektive und Künstler*innen sowie den Produktionskosten und anderen Variablen. Hinzu kommen nicht-monetäre Tauschsysteme und ein Angebot bezahlbarer Kunst.
Die lumbung Gallery working group hat die non-profit Kunstplattform TheArtists eingeladen die lumbung Gallery gemeinsam zu entwickeln und zu leiten. TheArtists unterstützt Künstler*innen durch Ausstellungen, Coaching, Mentoring und beim transparenten Verkauf ihrer Arbeiten. Außerdem werden die Kunstwerke auf der Online-Plattform der lumbung Gallery in Zusammenarbeit mit TheArtists unter www.lumbunggallery.theartists.net zu sehen sein.
Die lumbung Gallery ist ein eingetragener Verein und soll über die documenta fifteen hinaus fortbestehen.
Langfristig angelegte Prozesse der lumbung-Wirtschaft
Seit Oktober 2020 diskutiert eine Working Group Wirtschaft, bestehend aus lumbung member, ruangrupa und dem Künstlerischen Team, wie eine solche kollektive Ökonomie aussehen könnte. Dabei geht es um gemeinsame Werte unterschiedlicher Praxen und Kosmologien und deren Steuerung, um Strukturen zur Unterstützung der Ökonomie und der Verteilung von Werten sowie um die Frage, wie der gemeinsame Ressourcentopf befüllt werden kann.
Aus diesen Gesprächen gingen weitere Working Groups hervor. Bei zwei dieser Gruppen, lumbung Land und lumbung Currency, handelt es sich um die Arbeit an langfristig angelegten Prozessen der lumbung-Wirtschaft. lumbung Land basiert auf der Arbeit einiger lumbung member, darunter Jatiwangi art Factory, INLAND und Más Arte Más Acción, zu regenerativen und gemeinschaftsorientierten Modellen der Entwicklung von Land. Diese beziehen nicht nur Menschen, sondern auch nicht-menschliche Wesen mit ein und folgen einem ganzheitlichen Ansatz, der Kultur, Landwirtschaft und Ökologie vereint. lumbung Currency möchte die verschiedenen von lumbung member entwickelten Gemeinschaftswährungen stärken und miteinander verbinden, darunter die Währungen BeeCoin (ZK/U – Center for Art and Urbanistics), Cheesecoin (INLAND), Jalar (Gudskul) und Dayra (The Question of Funding).
lumbung Kios und lumbung Gallery entwickeln Modelle für ein sogenanntes Transvestment von Ressourcen von kapitalistischen Kunstmärkten hin in eine Ökonomie, die auf den lumbung-Werten basiert. Darüber hinaus sollen die im gemeinsamen Topf gelagerten Ressourcen von Zwängen befreit werden, die ihnen der Markt, Regierungen oder Geldgeber*innen auferlegen.