7. Dezember 2024

PRESSEMITTEILUNG Toba Khedoori

9. Oktober 2021 – 20. Februar 2022Eröffnung: Freitag, 8. Oktober 2021, 17 – 22 Uhr

[Pressemeldung Fridericianum] Seit mehr als fünfundzwanzig Jahren arbeitet Toba Khedoori an einem Werk, das zu den herausragenden, zugleich aber auch ungewöhnlichen Beiträgen zur Gegenwartskunst gezählt werden kann. Ihre Arbeiten, die das Resultat eines langen, konzentrierten Fertigungsprozesses sind, können an der Grenze zwischen Zeichnung und Malerei verortet werden, wobei sich mit ihnen auch stark haptische Eigenschaften verbinden. Als Grundlage ihrer Hervorbringungen fungieren in der Regel mit Wachs bearbeitete Papierbahnen, die derart nebeneinander arrangiert sind, dass sie zusammenhängende Bildträger von monumentalem Format ergeben. Auf ihren Oberflächen verfertigt Khedoori unter Einsatz von Grafit und Ölfarbe Zeichnungen, die durch eine ausgesprochen präzise Ausführung und, damit einhergehend, einen großen Detailreichtum bestechen. Sie zeigen unter anderem Gebäude, Fenster, Kinosessel, Kamine, Geäste, Gräser, Wolken oder Horizontlinien. Der Mensch ist allenfalls durch die Spuren seines Wirkens präsent und nie unmittelbarer Gegenstand eines Bildes. Vielen Formulierungen ist zudem gemein, dass die dargestellten Motive von ihrem ursprünglichen Kontext losgelöst sind und einen weiten, leeren Bildraum besetzen. Ort und Zeit erfahren somit eine gewisse Negation. Dieser Umstand trägt dazu bei, dass sich mit einem Teil der Werke unterschiedlich intensive Momente der Abstraktion verbinden, durch die sich in Khedooris Schaffen eine zusätzliche Dimension eröffnet.

Seit 2008 produziert die Künstlerin ebenfalls Malereien auf Leinwänden, die im Verhältnis zu den beschriebenen Papierarbeiten deutlich kleiner angelegt sind. In ihnen ist die Auseinandersetzung mit den im Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Natur anzusiedelnden Themen weiter fortgesetzt. Dabei ist das Wechselspiel zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion potenziert. Manche Arbeiten entziehen sich einer klaren Lesbarkeit, sodass die Wirkung von Linien, Strukturen und Farben in den Vordergrund rückt. Unabhängig von ihrem Abstraktionsgrad geht von den Gemälden eine ungewöhnliche, stille und bemerkenswerte Kraft aus, die repräsentativ für das gesamte Schaffen von Khedoori ist. Sie beflügelt Fragen zu den grundlegenden Parametern des Lebens und begründet dadurch die philosophische Ebene ihres Werkes.

Aufgrund der besonderen Qualität des Schaffens waren die Arbeiten der 1964 in Sydney geborenen und heute in Los Angeles lebenden Künstlerin schon früh Bestandteil des internationalen Diskurses, wodurch sie im institutionellen Kontext eine starke Verankerung hat. So wurde ihr Werk 1997 und 1998 in Einzelausstellungen im Museum of Contemporary Art in Los Angeles, im Walker Art Center in Minneapolis sowie im Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in Washington D.C. gezeigt. An diese Präsentationen schlossen sich 2001 umfassende Würdigungen ihrer Praxis im Museum für Gegenwartskunst in Basel sowie in der Whitechapel Gallery in London an. Außerdem wurden ihre Zeichnungen und Malereien im Rahmen von Gruppenausstellungen wie 2004 der Bienal Internacional de Arte de São Paulo, 2006 der Liverpool Biennial of Contemporary Art oder 2009 der Biennale di Venezia vorgestellt. Weitere Höhepunkte ihrer Ausstellungstätigkeit markierten 2016 die Retrospektiven im Los Angeles County Museum of Art sowie im Pérez Art Museum Miami. Zudem war sie 2019 mit Präsentationen in der Fondation Beyeler in Riehen/Basel und 2020 in der Hayward Gallery in London vertreten.

Das Fridericianum zeigt die erste Einzelausstellung von Toba Khedoori in Deutschland, und dieses ambitionierte Projekt ist zugleich die erste große Schau in Europa seit mehr als zwanzig Jahren. Dabei werden die Vielfalt und die Entwicklung des zeichnerischen und malerischen Schaffens anhand ausgewählter Werke aus den Jahren 1994 bis 2021 dargestellt.

Die Kasseler Ausstellung wird großzügig von der Hessischen Kulturstiftung gefördert: „Mit der ersten Einzelausstellung der Künstlerin Toba Khedoori in Deutschland belegt das Fridericianum in Kassel wieder einmal eindrucksvoll, dass es zu den führenden Ausstellungshäusern der Bundesrepublik gehört. Die australische Künstlerin mit irakischenWurzeln entwickelt in ihren beeindruckenden, mit altmeisterlicher Präzision gemalten Werken eine Philosophie des Alltäglichen. Toba Khedoori fragt mit ihrer Kunst nach den philosophischen Grundlagen, den individuellen und ästhetischen Voraussetzungen unserer Wahrnehmung und vor allem danach, wie wir uns in dieser Welt verorten.“ Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung

Toba Khedoori: Untitled (branches 1), 2011–2012 Öl auf Leinen / Oil on linen 80,6 x 105,1 cm Privatsammlung / Private Collection, Courtesy David Zwirner © Toba Khedoori, documenta und Museum Fridericianum gGmbH, Andrea Rossetti (photo)