Lumbung, direkt übersetzt „Reisscheune“, ist ein kollektives Topf- oder Ansammlungssystem, bei dem die von einer Gemeinschaft produzierten Pflanzen als zukünftige gemeinsame Ressource gelagert werden.
Wenn die documenta in der edlen Absicht gegründet wurde, europäische Wunden der Nachkriegszeit zu heilen, sollten wir dann nicht die Absicht darauf erweitern Gebiete zu heilen, die an anderen Wunden leiden, die im Kolonialismus, im Kapitalismus, der Abgeschiedenheit und im Patriarchismus ihre Wurzeln haben – um nur einige mögliche Ursachen zu nennen?
Aufbauend auf der Vielzahl von ruangrupas kollektiven Erfahrungen mit der direkten Umsetzung des institutionellen Aufbaus als künstlerische Form, schlossen wir eine Zusammenarbeit mit der documenta beim Sich-Ausdenken, Rumbasteln, Erproben und Umsetzen von Modellen von koperasi (nicht eins zu eins übersetzbar mit Kooperative, aber eng dran), ein ökonomisches Modell, das auf den demokratischen Prinzipien von rapat (Versammlung), mufakat (Vereinbarung), gotong royong (Gemeinschaftsgüter), hak mengadakan protes bersama (Recht auf kollektive Proteste) und hak menyingkirkan diri dari kekuasaan absolut (Recht auf Abschaffung der absoluten Macht) basiert. Im Mittelpunkt dieser Vorgehensweise steht die Lumbung als Modell für Ressourcennutzung.
Von Kassel aus betrachten wir die documenta als einen Pool von Ressourcen, der sich in der Stadt befindet, aber global durch ein zeitgenössisches KunstÖkosystem funktioniert. Wir halten die documenta für den perfekten Partner für ruangrupa, um ein anderes Modell – und somit auch Verständnis – von Nachhaltigkeit bei der Förderung der Ausübung sozial wirkungsvoller zeitgenössischer Kunst zu implementieren. Für Kassel sehen wir eine documenta Ausstellung vor, die auf der Stadt und den darin existierenden Systemen basiert und sie mit mehreren Strategien feiert, die sich auf aktuelle Themen wie alternative Bildung, regenerative Ökonomiemodelle und die Bedeutung von Kunst in der sozialen Praxis konzentrieren. Zu diesen Strategien gehören unter anderem eine umfangreiche Kunstausstellung an den allseits bekannten documenta Ausstellungsorten, eine Reihe von 1:1-Umsetzung in Kassels öffentlichem Dienst (wie Schulen, Universitäten, Banken, Krankenhäusern, u. a.) sowie öffentliche Programme. Dieses Hin- und Her-Schema, bei dem Kassel in die Mitte des Prozesses gesetzt wird, ist dialogorientiert und soll unvorhergesehene hybride Kunstpraktiken und -formen hervorbringen.
Dabei werden wir zunächst eng und kollektiv mit Kuratoren, Technologen und Ökonomen sowie anderen Initiativen und Kollektiven in verschiedenen Teilen der Welt zusammenarbeiten. Diese kooperierenden Stellen sollen dann ihre Strategien in der Realität anwenden, indem sie die bestehenden eigenen Praktiken damit verbinden – zunächst in ihrem jeweiligen Kontext, um dann 2022 in Kassel gezeigt zu werden.
Presseinformationen der documenta, Bild: ©documenta Pressemeldung: ruangrupa Photo Gudskul Jin-Panji 2019