29. März 2024
Okwui Enwezor (geb. 1963 in Calabar, Nigeria). Inv.-nr.:docA_MS_10053747.© documenta archiv / Ryszard Kasiewicz

Dr. Sabine Schormann zum Tod von Okwui Enwezor

Okwui Enwezor (geb. 1963 in Calabar, Nigeria). Inv.-nr.:docA_MS_10053747.© documenta archiv / Ryszard Kasiewicz

Dr. Sabine Schormann, Generaldirektorin der documenta und Museum Fridericianum gGmbH zum Tod von Okwui Enwezor: „Das documenta Team trauert um den Künstlerischen Leiter der documenta 11 und eine starke Stimme der zeitgenössischen Kunst. Okwui Enwezor hat die Perspektiven der Kunstwelt nachhaltig global erweitert und hinterlässt mit seinem frühen Tod eine große Lücke.“

Quelle: www.documenta.de

Enwezor begann 1982 nach seinem Umzug nach New York ein Studium der Politikwissenschaft am New Jersey City State College, das er 1987 mit einem Bachelor abschloss. Sein Zugang zur Kunst begann mit einem Interesse an Lyrik, er trat in der Knitting Factory auf und verfasste erste Veröffentlichungen. Enwezor gründete 1993 zusammen mit Salah Hassan (Cornell University) und Chika Okeke-Agulu (Princeton University) das dreimal jährlich erscheinende Magazin NKA: Journal of Contemporary African Art, in dem sie versuchen, die Fixiertheit des internationalen Kunstbetriebs auf den euroamerikanischen Zusammenhang zu überwinden.

Ausgehend von diesem Einstieg in den Kunstbetrieb wurde er außerordentlicher Kurator am International Center of Photography in New York. Er war Studiendekan (dean of academic affairs) am San Francisco Art Institute (2005–2009) und Gastprofessor an der Art History University in Pittsburgh, der Columbia University New York, der University of Illinois Urbana-Champaign, sowie der Universität Umeå in Schweden. Enwezor war Joanne Cassulo Fellow des Independent Study Program am Whitney Museum of American Art in New York (2010–2011).

Enwezor wurde als künstlerischer Leiter von zahlreichen Großausstellungen berufen. 1996–97 leitete er die zweite Johannesburg Biennale in Südafrika, 1998–2002 war er künstlerischer Leiter der documenta 11 in Kassel, 2006 kuratierte er die Biennale für zeitgenössische Kunst in Sevilla, sowie 2007–2008 die 7. Gwangju Biennale in Südkorea. Zudem wurde er künstlerischer Leiter von Meeting Points 6, einem Projekt für Performance und visuelle Kunst in acht Städten (Beirut, Amman, Damaskus, Kairo, Tunis, Tanger, Brüssel und Berlin) sowie Hauptkurator von La Triennale, Paris 2012. 2011 war er kuratorischer Berater der „Dublin Contemporary“ in Irland.

Von Oktober 2011 bis Juni 2018 war Enwezor Leiter des Hauses der Kunst in München und hatte damit erstmals die Möglichkeit, die Ausstellungen eines großen internationalen Hauses längerfristig zu entwickeln. Im Oktober 2016 wurde seine Anstellung um weitere fünf Jahre verlängert, zum 1. Juni 2018 legte er das Amt nieder.  Dies begründete er zum einen mit gesundheitlichen Problemen, zum anderen aber auch mit einem Mangel an moralischer Unterstützung. Er habe sich, laut eigener Aussage, als Direktor nicht mehr erwünscht gefühlt. Seine Erfolge seien u. a. durch eine negative Berichterstattung über Mitarbeiter des Museums und eine chronische Unterfinanzierung unter den Teppich gekehrt worden.  Knapp zehn Monate später verstarb Enwezor in Folge seiner Krebserkrankung.

Als Höhepunkt der kuratorischen Arbeit Enwezors gilt die Funktion als künstlerischer Leiter der 56. Biennale von Venedig im Jahr 2015. Die Presse schrieb über die Ausstellung, Enwezor zeige „eine unangestrengte, souveräne Anthologie der globalen zeitgenössischen Kunst, mit einem starken Akzent auf politisch und sozial motivierten Positionen.“ Er selbst nahm für seine Arbeit in Venedig in Anspruch, „Ideen“ auszustellen und auf die übermächtige Entwicklung des Kunstmarktes zu reagieren, indem er die Ausstellung gegen den Markt positioniert. Er ließ Das Kapital vollständig vorlesen und stellte die Idee über die Ware.

2018 wurde Enwezor als Corresponding Fellow in die British Academy gewählt.

Quelle: Wikipedia