28. März 2024

Angelika Doppelbauer: Museum der Vermittlung – Kulturvermittlung in Geschichte und Gegenwart

Am 15. Juli 2019 um 19.30 Uhr hat Angelika Doppelbauer den Mitgliedern des documenta forums ihr Buch „Museum der Vermittlung. Kulturvermittlung in Geschichte und Gegenwart“ vorgestellt. Das war für alle eine sehr anregende und informative Veranstaltung. In dem folgenden Text wird das Buch kurz vorgestellt.

Im April 2019 erschien bei böhlau eine Einführung in die Kulturvermittlung. Das Buch beschäftigt sich mit Kulturvermittlung als Beruf. Es zeichnet die Geschichte des Arbeitsgebietes nach und versucht, diese in Relation zur Entwicklung der Institution Museum und ihrer Rolle in der Gesellschaft zu setzen. Der Text beschreibt, wie es zu den unterschiedlichen Bezeichnungen von Museumspädagogik bis Kulturvermittlung kam und widmet sich inhaltlichen Tendenzen und Strömungen im Feld. Die Arbeit befasst sich mit der Etablierung einer eigenständigen wissenschaftlichen Theorie für das Fach der Kulturvermittlung sowie den vorherrschenden Forschungsschwerpunkten und dokumentiert den Prozess der Formulierung eines Berufsbildes.

Warum eine Geschichte der Kulturvermittlung?

Vermittlung als eigenständigen Beruf gibt es seit etwa einer Generation. Die Pionier_innen der ersten Stunde gehen langsam in Pension, neue Generationen rücken nach. Es mehren sich Ausbildungen und im Zuge der Professionalisierung des Berufes auch die wissenschaftliche Literatur und die Aufarbeitung der Geschichte des Berufsfeldes. Zuerst galt es, die Vermittlung als neue Disziplin zu etablieren und von anderen Bereichen abzugrenzen. Neben einer Methodendiskussion fanden sich später zahlreiche Auseinandersetzungen damit, welche Position die Vermittler_innen gegenüber der Institution, den Besucher_innen und den Ausstellungsobjekten einnehmen. Eine eigenständige wissenschaftliche Fundierung wurde etabliert, die der Profession eine theoretische Basis verschaffte.

Vieles wurde erreicht. Vermittlung wird mittlerweile als Selbstverständlichkeit angesehen, sie wird von den Besucher_innen wertgeschätzt und erfreut sich größerer gesellschaftlicher Aufmerksamkeit. Aber es gibt immer noch Aufgaben für die Zukunft. So ist es Realität, dass auch heute noch viele Vermittler_innen in prekären finanziellen Verhältnissen leben, ohne Anstellung und soziale Absicherung arbeiten. Die Stundensätze der Entlohnung schwanken stark, teilweise erfolgen die Angebote auf eigenes Risiko und ohne Ausfallshaftung. Dazu kommt in manchen Fällen fehlende Anerkennung innerhalb der Institutionen.

Was ist der Unterschied zwischen Museumspädagogik und Kulturvermittlung?

Seit Beginn der Vermittlung als eigenständiges Berufsfeld in den 1960er Jahren gibt es im deutschsprachigen Raum Diskussionen über die exakte Berufsbezeichnung und wissenschaftliche Verortung. In den 1970 er und 80er Jahren spricht man hauptsächlich von Museumspädagogik und ordnet diese in den Bereich der Erziehungswissenschaften ein. In den 1990er Jahren entwickelt sich eine Vielfalt an Definitionen. Museumspädagogik wird als Grenzwissenschaft interpretiert, die Anteil an vielen anderen Wissenschaften hat. Darunter fallen Erziehungswissenschaften, Allgemeine Pädagogik, Schulpädagogik, Erwachsenenpädagogik, Spiel- und Theaterpädagogik, Sozialwissenschaften, Kulturwissenschaften, Freizeitpädagogik, Kommunikationswissenschaften und Museologie. In Österreich ändert man 1991 im Zuge der Gründung der Interessensvertretung des Österreichischen Verbandes der Kunst- und Kulturvermittler_innen im Museums- und Ausstellungswesen die Berufsbezeichnung von Museumspädagogik zu Kulturvermittlung. Dies spiegelt eine langjährige Diskussion im Feld wider. Einerseits soll die Abgrenzung zum Begriff der Pädagogik der weiter gefassten Zielgruppe gerecht werden, die sich nicht auf Kinder und Jugendliche beschränkt. Andererseits besteht die Sorge, die Theoriebildung könnte von der Pädagogik vereinnahmt werden. Dem will man dezidiert entgegenwirken. Außerdem beschränkt sich die Bezeichnung Museumspädagogik auf die personale Vermittlung. Ein breit gefasstes Verständnis beinhaltet aber auch mediale Vermittlungsformen wie Raumtexte, Begleitbroschüren, Kataloge, Audioguides, Informationsräume, Websites oder Materialien für den Unterricht. Angesichts der intensiven Debatte lässt der deutsche Bundesverband Museumspädagogik e.V. 2004 eine Mitgliederbefragung durchführen, bei der allerdings die Mehrheit für die Beibehaltung der Bezeichnung Museumspädagogik stimmt. Derzeit sind verschiedene Bezeichnungen in Umlauf.

Seit wann gibt es Kulturvermittlung?

Vermittlung hat es in Sammlungen und Museen wohl schon immer gegeben, nur wurde sie zunächst nicht als eigenständige Tätigkeit wahrgenommen. Man kann davon ausgehen, dass die mit Sammlungen Betrauten oder die Sammler_innen selbst ihr Wissen und ihre Informationen mit anderen geteilt und an andere weitergegeben haben. Die Geschichte der Vermittlung in Museen und Ausstellungen ist naturgemäß mit der Entwicklung von Museen und Sammlungen aufs Engste verwoben und durch diese bedingt. Ein umfangreiches Kapitel zur Geschichte der Vermittlung beginnt mit den frühesten bekannten Funden, die nahelegen, dass Zeugnisse der Natur oder Kultur bewusst gesammelt wurden und führt bis in die Gegenwart. In jeder Epoche gibt es unterschiedliche Bemühungen, Wissen über Objekte an Besucher_innen weiterzugeben, abhängig von den Träger_innen der Sammlung, ihrem Anspruch und Selbstverständnis.

Gibt es eine eigenständige Theorie der Kulturvermittlung?

Je stärker sich die Vermittlung als selbständiges Berufsbild sieht, desto intensiver werden die Bestrebungen nach einer eigenständigen wissenschaftlichen Fundierung des Fachgebietes. Vermittlung entwickelt sich aus einem Praxisfeld, in dem anfangs die Literatur zu Methoden und Best-Practice-Beispielen dominiert. Die ältesten und am weitesten verbreiteten Formen der Forschung zur Vermittlung sind die Bestandsaufnahme und die Evaluation. Die Konzeption der Vermittlung auf der documenta 12 im Jahr 2007 bewirkt eine intensive Hinwendung zur Reflexion aber auch eine kritische Haltung innerhalb der Vermittlung. Ziel ist es, die Praxis zu analysieren und zu theoretisieren und das so gewonnene Wissen wieder in die zukünftige Praxis zu transferieren. Hierbei geht es nicht darum, die Bedingungen des Gelingens einer Vermittlungsaktion zu erforschen und deren Wirkung auf das Publikum zu untersuchen, sondern vorgefasste Annahmen und Setzungen aufzudecken und zu hinterfragen. Dies betrifft die Haltung gegenüber der eigenen Arbeit, das Verhältnis zur Institution, zu deren Machtverhältnissen und zur Gesellschaft. Vermittlung als Forschung will mit wissenschaftlichen Methoden das Praxiswissen der in der Vermittlung Tätigen fruchtbar machen. Mögliche Methoden sind die teambasierte oder die partizipative Aktionsforschung.

Zu den Abbildungen von Valerie Tiefenbacher

Die Abbildungen der Illustratorin und bildenden Künstlerin Valerie Tiefenbacher entstanden in einem kollaborativen Prozess mit der Verfasserin der Arbeit im Rahmen des „Illustrationhub 2018“. Dieses Programm zur Förderung von Wissenschaftskommunikation durch künstlerische Gestaltung wurde vom WTZ – Wissenstransferzentrum Ost der Universität Wien initiiert. Die Bilder holen die Vermittler_innen in ihren unterschiedlichen Rollen und mit ihren zahlreichen Aufgaben vor den Vorhang.

Wer sollte dieses Buch lesen?

Erklärtes Ziel ist es, einen knappen, aber repräsentativen Überblick über die in den letzten Jahren exponentiell angestiegene Literatur zur Vermittlung zu geben. Der Band möchte einen Einstieg in das Thema erleichtern, einen Überblick verschaffen und entsprechende Informationen strukturiert und dosiert anbieten. Für Fachkolleg_innen mag er als Anregung zur weiteren Lektüre, für Personen, die sich mit dem Feld der Vermittlung noch nicht auseinandergesetzt haben, als erster Schritt auf diesem Gebiet dienen.

Das Buch möchte das Verständnis für die Anliegen und Bedürfnisse der Vermittlung erweitern und auf das Potential der Vermittler_innen für die Institutionen aufmerksam machen. Vermittler_innen stellen das Bindeglied zwischen Institutionen und Besucher_innen dar. Sie stehen in direktem Kontakt und kommunizieren mit beiden Seiten. Dieses Potenzial wird seitens der Institutionen oft noch wenig genutzt.


Angelika Doppelbauer – Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien, Akademielehrgang Allgemeine Museumspädagogik an der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz, ecm/educating-curating-managing Masterlehrgang für Ausstellungstheorie und -praxis an der Universität für angewandte Kunst Wien, jahrelange Erfahrung als Kunst- und Kulturvermittlerin, 2014-16 Leiterin der Kunstvermittlung im Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels, Lehrbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich und an der Katholischen Privatuniversität Linz, Kulturvermittlerin im Oberösterreichischen Landesmuseum, kulturbegeistert – Ausstellungen, Vermittlung, Veranstaltungen.

www.kulturbegeistert.at


Beitragsbild: Valerie Tiefenbacher studierte Malerei an der Universität für Angewandte Kunst Wien in der Klasse von Johanna Kandl und an der Vilnius Dailes Akademija in Vilnius, Litauen. Nach Ausstellungen in Österreich, Litauen und Belgien arbeitet sie als freischaffende Künstlerin und Illustratorin in Wien.

www.valerietiefenbacher.com